Seven songs for Sunrise

Helmut Oehring (D) schreibt eine neue Musik für Murnaus Stummfilmklassiker

Cinéma Capitole Lausanne 3. Okt.2013  
http://www.cinematheque.ch

Dampfzentrale, Turbinensaal, Bern 4. Okt. 2013   
http://www.starticket.ch

Während bei einigen Stummfilmen die originale Filmmusik integraler Bestandteil des Gesamtkunstwerks ist, gibt es auch Meisterwerke, deren Musik uns heute eher beliebig erscheint.  So wurde Friedrich Wilhelm Murnaus Film «Sunrise, a Song of two Humans» (USA,1927) in seiner Zeit mit jeweils unterschiedlichen Musikarrangements aufgeführt.

Der Komponist Helmut Oehring durchdringt Murnaus zeitlose Bilder mit seiner eigenen Tonsprache und lässt so den Film in einem neuen Licht erscheinen. Seine „Seven Songs for Sunrise“ für Streichquartett, präpariertes Klavier, Trompete, Bassklarinette, Kontrabass und Stimme sind mehr als eine begleitende Filmmusik, gerade weil sie so behutsam mit den Bildern umgehen.


Friedrich Wilhelm Murnau:  «Sunrise, a Song of two Humans» USA 1927 (mit George O’Brien und Janet Gaynor), 90’

Helmut Oehring:  Seven Songs for Sunrise (2013), Music for F.W. Murnau's silent movie "Sunrise. A Song of two Humans" for trumpet, bassclarinet, prepared piano, stringquartet, doublebass and vocalist

Es spielen:

Quatuor Sine Nomine
Patrick Genet, Geige
François Gottraux, Geige
Hans Egidi, Bratsche
Marc Jaermann, Cello
und
Jürg Henneberger, Klavier

Jörg Schneider, Trompete
Nikita Cardinaux, Bassklarinette 

Noëlle Reymond, Kontrabass
David Moss, Stimme


Photo © Cinémathèque suisse

Der Film

Für François Truffaut war Sunrise der schönste Film überhaupt...     
les Cahiers du Cinéma, 1958

Sunrise, a Song of two Humans, Friedrich Wilhelm Murnau, mit George O’Brien et Janet Gaynor, Margaret Livingston, USA 1927, 90 Minuten


Photo © Cinémathèque suisse

"Murnaus cineastische Auffassung widerspiegelt sich in seinen nächtlichen Träumereien. Darin wird die fortschreitende Handlung verhalten eingebettet in eine Welt voll romantisch-fantastischer Poesie. Die Kamera tritt auf die Strasse hinaus ins Tageslicht und hält das Geschehen auf einem Filmnegativ fest. Das so zum Vampir gewordene Ereignis wird im Dunkeln durch künstliches Licht auf eine jungfräulich leere Leinwand projiziert. Was wir jetzt sehen, ist weder blosse fiktive Erscheinung noch akribisch animierte Realität. Auf der Leinwand existiert nichts wirklich ausser der Illusion."

Jean Douchet in « Murnau, ou qu’est-ce qu’un cinéaste ? »

«This song of the Man and his Wife is of no place and every place; you might hear it anywhere, at any time. For wherever the sun rises and sets, in the city's turmoil or under the open sky on the farm, life is much the same; sometimes bitter, sometimes sweet».
Sunrise, erste Texttafel

Nach diesen Eröffnungsworten zeigt uns der Film ein einfaches, junges Bauernpaar, dessen einst glückliche Ehe durch die Affäre des Bauern mit einer verführerischen Frau aus der Stadt zerstört wird. Nachts trifft sich der Mann mit seiner Geliebten, welche ihn schliesslich auffordert, seine Frau zu ermorden.

Am nächsten Tag will der Bauer seine Frau bei einem gemeinsamen Bootsausflug ertränken. Draussen auf dem See will er sich auf sie stürzen, wird aber im letzten Moment durch den reinen Blicks seiner Frau von seinem Wahn befreit. Entsetzt über sich selbst, lässt der Mann von ihr ab und rudert an Land. Die verängstigte Frau flieht danach mit einem Tram in die Stadt, wohin ihr der Bauer folgt. Inmitten des hektischen Grossstadttreibens kommt es zur grossen Versöhnung.

Ein aufkommender Sturm auf der nächtlichen Heimreise bringt ihr neues Glück noch einmal in Gefahr. Dieses Mal bleibt der Bauer aber standhaft und die Sonne geht auf.

Der Film erhielt 1929 drei Oscars.

Friedrich Wilhelm Murnau; auch F. W. Murnau (* 28. Dezember 1888 als Friedrich Wilhelm Plumpe in Bielefeld; † 11. März1931 in Santa Barbara, Kalifornien) gilt als einer der bedeutendsten deutschen Filmregisseure der Stummfilmära. Sein vom Expressionismus beeinflusstes Schaffen, seine psychologische Bildführung und die damals revolutionäre Kamera- und Montagearbeit eröffneten dem jungen Medium Film völlig neue Möglichkeiten.

La Cinémathèque suisse

Helmut Oehring

"Im Anfang war die Gebärde. Der Anfang ist bei mir innen, immer Gebärde. Kein Wort.
Ich höre mit den Augen. Mit anderen Augen".


Foto © Jens Oellermann

Helmut Oehring wurde 1961 in Ost-Berlin geboren.

"Er ist hörendes und sprechendes Kind gehörloser Eltern. Erst mit vier Jahren kommt er mit der Welt der Hörenden in Kontakt – eine fremde und meist feindselige Welt. Doch dann entdeckt er etwas, das ganz ihm gehört: die Musik.

Oehring erzählt die Geschichte einer erstaunlichen Selbstfreiung. Er erzählt, wie er als gelernter Autobahnbauer beginnt, sich Notenschrift beizubringen und ein Streichquartett komponiert. Wie er aus dem Nachwende-Tief von selbstgewählter Obdachlosigkeit und Drogensucht wieder herausfindet.

Oehring ist vom völligen Autodidakt zu einem der erfolgreichsten  gegenwärtigen  Komponisten geworden. Aber auch der Sprache entlockt er mitreissende Klangbilder aus Wut, Lust und Zärtlichkeit; er verführt uns mit den subtilen Rhythmen der Kampftechnik Mike Tysons, mit den Heilkräften des Jazz oder den irritierenden Schönheiten des lautlosen Sprechens.
 
Helmut OEHRING zählt heute zu den massgeblichen zeitgenössischen Komponisten, sein Oeuvre umfasst über 250 Werke, die auf der ganzen Welt aufgeführt werden und für die er zahlreiche Auszeichnungen erhielt, u.a den Hanns-Eisler-Preis des Deutschlandsenders Kultur, den Orpheus Kammeroper Preis Italien, den Schneider-Schott-Preis, den Hindemith-Preis und den Arnold-Schönberg-Preis.* "

* Mit anderen Augen, Vom Kind gehörloser Eltern zum Komponisten, btb (2012)

"Niemand ist illegal. Unter diesem Motto stehen nahezu alle meine Arbeiten in Musik. Töne sind Worte. Brahms sagte: In meinen Tönen spreche ich. Sprache ist das Existenziellste, was es gibt. Meine Musiken kreisen um den Umstand, dass Menschen überhaupt Sprache und Beziehungen haben. Sprache ist Reaktion auf einen Mangel, Ersatz für Vermisstes, Ausfüllen einer Leere, Fühlen einer Losheit." H.O

AscheMOND oderTHE FAIRY QUEEN - Staatsoper Berlin (2013)

 

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